Traditionelles Kunsthandwerk Teneriffas (artesania)
Auf den kanarischen Inseln werden die Kusthandwerker von der Regierung geprüft und zugelassen. Im Folgenden beziehe ich mich auf solche Kunsthandwerker und deren Werke. Die aktuellen Standorte und Meister ihrer Kunst erfragt man am besten bei der „Consejeria de Industria y Comercia“ der Insel in Santa Cruz s.u. Leider kann ich hier nicht alle Arten des kanarischen Kunsthandwerkes darstellen und muss mich auf die mir wichtig erscheinenden traditionellen Gebiete wie Erde, Holz, Eisen, Stoff und Stein beschränken.
Ich beziehe mich auf Künstler und Kunsthandwerker, welche Keramiken in Anlehnung an die praehispanische Töpferei herstellen. Die Gebrauchsgefässe werden in traditioneller Art von Hand aus dem vulkanaschehaltigen schwarzen oder rotem Ton (arcilla, barreras) für den täglichen Gebrauch geformt. Plastische Tone finden sich allen Ortens (Bentonite, feine Quelltone vulkanischen Ursprungs) und müssen mit Sand, manchmal mit Lehm um Sand zu sparen, versetzt oder wei der toepfer sagt gemagert werden. Dazu dienen idealerweise die feuerfesten grobkörnigen jüngern schwarzen Lavaaschen der Barrancos. Die natürlichen Bentonite sind trocken derart hart, dass sie vor dem Einsumpfen in Moersern zerstossen werden müssen. Die Gefässe des täglichen Gebrauchs dienen zur Aufbewahrung von Gofio (gemahlene, gröstete Samen), als Melkgefässe oder zur Ziegenkäseherstellung. Die im offenen Feuer (Brennöfen waren auch bei den Ureinwohnern Tenerifas nicht bekannt) gebrannten Gefässe zeigen Schmauchspuren, sind mit einfachen Mustern an den Rändern verziert (teilweise Zarzasymbole die typisch für jede Insel) und beeindrucken durch die Ausgewogenheit ihrer Formen. Als Werkzeuge bei der Formung dienen runde Steine der wilden Strände (bruñidores, alisadera principal). Zur Anbringung der Verzierungen werden scharfkantigere Steine oder Werkzeuge aus Knochen verwendet. Diese Werkzeuge sind derart hochgeschätzt,dass sie fast halv abgerieben vererbt werden. Teilweise sind die Keramiken mit feinen Tonen überzogen (engobiert) oder mit Petroleum poliert (almagre). Die Engobentone finden sich als rote Adern zwischen Basaltmagma oder Lavaaschenschichten. Dieser natürlich gebrannte „Zement“ wird in grossen Handmühlen (ähnlich den antiken Gofiomühlen) gemahlen und mit geheimen Zutaten vermischt. Die so übermantelten Gefässe sind sogar nach dem Brand im offen Feuer wasserdicht.
Feste, Tanz und Musik sind wichtiger Ausdruck der Lebensfreude aller Kanarios. Die Vielfalt der Hölzer Teneriffas (cedro, palosanto, cipres, nogal, haza, moral, samaguila, caoba, pino, abeto..) findet man in ihren Musikinstrumenten wie den Timples, Kontratimples, Gitarren, Violinen, Lauten, Bandurrias, Requintos etc. wieder, wie man sie auf den folkloristischen Cuadrilla und Parrandas jedes Dorfes Teneriffas bewundern kann. Die 5-seitige (6-seitig als Konzertinstrument) Timple oder Kontratimple ist auch ein dekoratives Geschenk, das ohne Probleme ins Handgepäck passen koennte. Auf der Abbildung in der Mitte unten sieht man die an andalusische Castanuelas erinnernden grossen Chacaras de Gomera. Man sieht auch schön geschnitzte Flöten oder aus abgestorbenen Agavenfüssen und Ziegenfellen gefertigte Trommeln (wie in San Andres). Die Instrumente sind mit vielreihigen Einlegearbeiten aus Palisander, Ebenholz und Elfenbein geschmückt. Viele der einheimischen Instrumentenbauer sind Autodidakten und waren immer hervorragende Interpreten ihrer Instrumente.
Auch in der Holzbearbeitung kommt die Vielfalt der Bäume und Sträucher Teneriffas zum Ausdruck. Viele der einheimischen Holzlieferanten stehen heute unter Naturschutz. Aufgrund der zentralen Handelslage der kanarischen Inseln können jedoch Hölzer aus aller Welt verwendet werden. Gigantische Ausmasse erreichen die Laurelbäume (bis zu 9m Stammumfang), die Baumheiden, Teas, Mocanes, die Persea indica (viñtágo), die über 20m hohe Madrona und der weichholzige Palo blanco (picconia excelsia) welche von Tischlern und anderen Holzbearbeitern hochgeschätzte Hölzer liefern. Besondere Erwähnung verdient auch die kanarische Pinie die einen derart hohen Harzgehalt hat, dass ihr Holz selbst vom Holzwurm (carcoma) verschmäht wird. Die Holzverarbeitung Teneriffas kann man in folgende Gebiete einteilen: carpinteria major (Grosstischlerei) wie Bau der berühmten geschnitzten und gedrechselten kanarischen Balkone, Fenster-rahmung, kunstvoll verarbeitete Portale und Türstöcke, Fassadengestaltung, Treppenbau, Böden und Dachstuhlbau. Klassische Möbeltischlerei. Tischlerei des Weines wie Fassbinderei oder Lagarbauer (Weinpressen). Herstellung von Spinnrädern und Webstühlen (carpinteria de la lana). Schiffsbau (carpinteria de ribera) wie Bau der kanarischen Fischerbote und des kanarischen Segelbotes mit dem Lateinersegel (vela latina canaria). Drechsler (tornero), Hersteller von Holzspielzeug, Schmuckkästchen, Zigarrenschachtelbauer (aus Zedernholz welches das Aroma der Puros am besten konserviert) mit feinen Einlegearbeiten. Nicht zu vergessen barocke Schnitzer und Bildhauer kirchlicher Figuren. Ebenso Bilder- und Spiegelramen-schnitzer. Bildlegende: Links unten Schnitzerein an Moebeln und Türen, Mitte: kanarischer Balkon, Rechts: Drechslerei mit Einlegarbeiten.
Kanarische Bauern tragen ihre Messer mit vorzüglich geschmückten Griffen am Gürtel. Eine Zusammenarbeit der Griffemacher (encabador), Schmiede und Schumacher (Messerfuterale aus Leder).
Die cuchillos canarios sind nicht nur Gebrauchsgegenstand oder Waffe sondern vor allem ein ästhetischer Schmuckgegenstand der bäuerlichen Tracht. Typisch für das kanarische Messer ist ein quadratischer Messerdorn. Vorsicht vor Imitationen aus Marokko. Die Orginale sind nicht ganz billig. Ein beim einheimischen Kunsthandwerker gekauftes Messer wird nach guter Sitte kostenlos repariert. Die breiten, handgeschmiedeten, einseitig geschliffenen und in Öl gehärteten Schneiden sind scharf wie ein Rasiermesser. Niemals etwas Heisses schneiden! (es droht Härtungsverlust). Die Klinge ist breit und an der Basis des Griffes in typischer Weise S-förmig geschwungen und muss beim Anschlagen klingen.
Der geflochtene Korb wird, wie in deutschen Landen bei der Weinlese zum schonenden Transport wertvoller Trauben verwendet. Flechtmaterialien sind neben der Korbweide (mimbre) Schilf- und Zuckerrohr (caña) sowie Palmblätter. Aus Palmblättern werden Besen und Fussmatten und Sombreros hergestellt. Aus Halmen des Roggens und Rinde des Torbiscos (daphne gnidium) geflochtene Behaelter eignen sich ideal zur luftigen Aubewahrung von Getreide und Früchten. Zum Flechten werden auch Roggenstroh, endemische Bäume wie der Follao (viburnum rugosum), Bananenstaudenfasern, Junkablätter (am Wasser wachsende Grasarten) zur Herstellung von Muränenreusen (siehe im Bild Mitte: Fischkörbe von San Andres eines Fischerviertels von Santa Cruz) verwendet. Die aus Junca geflochtene Standarte war Machtzeichen der Menceyes (Guanchenkönige). Junca diente auch zur Herstellung von Kleidungstücken der Guanchen und später zur Seilherstellung. Flache aus colmo (Roggenstroh) geflochtene Schalen (balayos) dienten zur Trennung von Getreidekorn und Spreu mit Hilfe des Windes. Ebenso werden Brotkörbe und Sonnenhüte geflochten sowie Fisch- und Einkaufskörbe. Zurechtgeschnittene Esskastanienruten, deren Anfertigung ein Geheimrezept jedes Flechters ist, dienen dabei als Skeletstäbe. In geflochtenen Körben bringt die Bauersfrau das Essen aufs Feld. Körbe dienten zur Aussaat und Aufbewahrung der kleinen Kartoffelarten und werden in den letzten Jahren leider immer mehr vom Plastik verdraengt. Ein Grund mehr dieses Handwerk vor dem Aussterben zu bewahren.
Auf Teneriffa werden Lein und im feuchten Norden der Insel Schafwolle versponnen
und eingefärbt. Als Farben dienen die auf den Inseln des Purpurs (Plinius)
hergestellten natürlichen Farben wie Sandal (Sandelholz), Orchillapurpur (Felsenflechte),
Conchenilla und anderer Färbepflanzen (Indigo, Isatis, Ilex canariensis, Cartamus,
Resede usw.) In Tegueste, Igueste de Candelaria und Santa Cruz giebt es noch
Handwebereien in den die auf alten Holzwebstühlen horizontal gewebten Stoffe
zu den traditionellen Trachten confektioniert und durch farbige Stickereien
gechmueckt werden. Die ursprünglichste Form der Bekleidung nach der Eroberung
der Insel durch die Spanier ist der einfache Hirten- und Bauernumhang (manta
de las Sabandeños) von Esperanza und Las Mercedes, den im Winter für kanarische
Verhältnisse kalten, feuchten Gegenden. Ein einfacher Umhang aus Wolle mit
hoher Qualität der am unteren Ende mit wenigen schwarzen Bändern versehen
ist und am Hals in kustvoller Weise zigzagförmig gefaltet wird. In der späteren
Farbenpracht der Trachten kommt maurischer und andalusischer Einfluss zum
Ausdruck. Besonders erwähnenswert sind die gestickten Rosetten und Bordüren
(calados: rosetas y bordados). Eine Handwerkskunst die im 19. Jahrhundert
aus Portugal und der Nachbarinsel Madeira eingeführt wurde. Die Rosetten von
Villaflor werden auf kleinen, nierenfoermigen oder quadratischen lederbezogenen
Stickkissen (piques) hergestellt. Bordüren in Orotava, Puerto de
Teneriffa bietet eine grosse Vielfalt an vulkanischen Gesteinen. Die sehr harten grauen bis schwarzen Basalte finden Verwendung als Eckquader an Eremitagen und Fincas. Den harten, glitzernden, blasigen Basalt, abgerundet durch die Wellen des Atlantiks, verwendeten die prähispanischen Einwohner Tenerifas zur Herstellung ihrer Gofio-handmühlen (piedra molinera). Phonolyte (klingendes hartes Ergussgestein) und Trachyte die mit ihren Feldspat- und Pyroxen-einsprenkelungen an italienische Mortadella erinnern findet man an Steinbänken und Ecknieschen. Die weichere rote, ockergelbe oder weisse pyroklastische Toska oder Toba (piedra blanca sureña, feuerverschweisstes Konglomeratgestein) sieht man an Skulpturen und in der Gartengestaltung. Das poröse Lavagestein wird zur Herstellung von wasserfiltrierenden Gefässen, die fälschlicherweise als „destilleria“ bezeichnet werden verwendet. Basalt findet auch Verwendung bei der Herstellung von Steinbänken und klobigen Viehtränken (pilones de Tegueste). Steinmetzarbeiten sind an Bögen, Fenstereinfassungen, Eckbänken, Regenabweisern und Wasserspeiern zu bewundern. Jede Gegend zeigt ihre eigenen Steine: Gelbe Basalte des Südens, der weisse Basalt des Nordwestens und die grün-blauen Gesteine der Canadas (piedra azul). Bemerkenswert sind auch die alten Trockenmauern des bäuerlichen Terassenbaus, die leider im Laufe der Jahre verfallen, wenn sie nicht gepflegt werden.
Fertigung von Gerätschaften des Ackerbaus (artesania de la labranza), Schuhmacherhandwerk, Zigarrenherstellung, historische Seidenherstellung und Verarbeitung, Blechprägung und Verarbeitung , Pfeifenherstellung. Schwierig herzustellende Hirtenbeutel (Zurrones de Gofio aus feinem Zickleinleder zum täglichen Kneten der verschiedenen Gofioteige), Rucksäcke aus einem ganzen Ziegenfell einschliesslich der Zehen, Transportbehälter für die zur Kaninchenjagd eingesetzten Frettchen (huroneros), Kunsthandwerk unter Wiederverwendung traditioneller Materialien. Zeitgenössiges Kunsthandwerk sind die Schmuckherstellung, Goldschmiedekunst, Glaskunst, Puppen- und Modellherstellung.
Internetsuchstichworte: „artesania canaria“, artesanos,
tenerife, canarias. www.gobcanares/artesania
ist die offizielle Internetseite der kanarischen Regierung. Centro de venta
artesania mit e-mail: ARTTFEE@Datalogic.es. Man findet dort wissenswertes über
Produkte, Künstler, Ausstellungen (Ferias), preisgekrönte Werke und Information
zum Schutz der Marke „artesania canaria“. In Santa Cruz de Tenerife finden jährlich
um die Weihnachtszeit und vor Heilig-drei-König (los Reyes) grosse Verkaufsmärkte
auf dem Messegelände (feria) und auf den grossen Plätzen (plaza espana, principe,
etc.) statt, wo sich die kanarischen und auch lateinamerikanische Kunsthandwerker
und Kuenstler zeigen. Kanarische Fachliteratur: Artesania canaria. Francisco
A. Osorio ISBN 84-85438.61-2. Deposito legal GC-119-1980. IMAGEn de artesania
canaria. Luis Ortega Rafael Radia ISBN 84-03-59254-X Deposito Legal M-32.603-1993
Arte Utilidad – Guia artesania. Cabildo insular de